Was ist das eigentlich?
Stell Dir einmal lebhaft vor:
Du beißt herzhaft in eine Zitrone. Und stell dir das einmal so richtig vor. Vielleicht kneifst du gerade die Augen zusammen. Und vielleicht läuft dir der Speichel im Mund zusammen.
Ja, sauer macht lustig und so weiter und so fort. Aber warum diese Veranschaulichung? Dein Körper reagiert also auf einen reinen Gedanken, ohne dass Du aktiv Einfluss darauf nimmst. Und genau mit diesem Prinzip der Autosuggestion funktioniert Autogenes Training auch - nur für Entspannung.
Autosuggestion ist eine psychologische Technik, die mit der Selbstbeeinflussung des eigenen Geistes zu tun hat. Es handelt sich um einen Prozess, bei dem eine Person sich selbst bestimmte Gedanken, Überzeugungen oder Verhaltensweisen einredet oder suggeriert, oft durch wiederholte Selbstbejahungen oder positive Affirmationen. Diese Technik basiert auf der Annahme, dass der Geist in der Lage ist, den Körper und das Verhalten einer Person zu beeinflussen. Der Begriff wurde populär durch Émile Coué, einen frühen Vertreter der angewandten Psychologie, der die Macht der Autosuggestion zur Verbesserung der geistigen und physischen Gesundheit betonte. Coués berühmteste Autosuggestion ist der Satz: „Jeden Tag, in jeder Hinsicht, geht es mir besser und besser.“ Die Idee hinter der Autosuggestion ist, dass durch die ständige Wiederholung positiver Gedanken und Überzeugungen das Unterbewusstsein beeinflusst werden kann, was wiederum das Verhalten und die Emotionen einer Person verändern kann. Autosuggestion wird oft in verschiedenen Formen der Psychotherapie und im Selbsthilfebereich verwendet, um Selbstvertrauen, Stressabbau und die Erreichung persönlicher Ziele zu fördern.
Das Autogene Training ist eine effektive und weitverbreitete Entspannungstechnik, die als Präventionsmethode zur Vorbeugung und Reduktion stressbedingter Erkrankungen wissenschaftlich anerkannt ist. Durch sprachliche Formeln und innere Bilder werden Körperprozesse ausgelöst, die der Überaktivierung entgegenwirken und eine Normalisierung einleiten und so zu einer tiefen Entspannung führen.
Die Grundstufe des Autogenen Trainings setzt auf die Regulation von Parasympathikus und Sympathikus. Dies zwei Anteile im vegetativen Nervensystem schaffen den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Durch eine Regulation hin zum Parasympathikus kann der Körper sich regenerieren und es werden langfristig Erkrankungen vorgebeugt. Die verwendeten Autosuggestionen basieren auf Beobachtungen von tiefenentspannten Menschen und ihren Empfindungen. Diese beschrieben eine angenehme Schwere und Wärme. Ihr Atem wurde ruhiger und gleichmäßiger, der Puls senkte sich und sie fühlten sich angnehm ruhig. Genau diese Empfindungen übersetzte Schultz in Autosuggestionen wie zum Beispiel "Ich bin ganz ruhig und entspannt." oder "Meine Arme und Beine sind angenehm schwer". Durch die reine Vorstellung senkt sich tatsächlich der Muskeltonus temporär, also die Anspannung in den Muskeln. Auch der Puls und die Atemfrequenz werden messbar ruhiger. Dadurch werden die positiven Möglichkeiten der Autosuggestion genutzt, um aus sich selbst heraus in eine tiefe Entspannung zu finden.
Mit der Mittelstufe des Autogenen Trainings wird auf die inneren Glaubenssätze geschauft und diese überprüft. Glaubenssätze sind individuelle Annahmen darüber, wie die Welt, die eigene Person, das eigene Verhalten und Leben ist, die wir uns stets autosuggerieren. Manche Glaubenssätze haben uns in bestimmten Situationen oder Lebensphasen unterstützt und waren nahezu überlebenswichtig. Einige davon sind heute noch hilfreich, andere eher hinderlich. Dabei werden ggfs. Elemente aus der lösungsorientierten Kurzzeittherapie verwendet, wie beispielsweise die Wunderfrage: „Nehmen wir an, heute Nacht, während Du schläfst, geschieht ein Wunder und das Problem, das Dich hierher gebracht hat, ist gelöst. Da Du jedoch geschlafen hast, weißt Du nicht, dass das Wunder geschehen ist. Wenn Du morgen aufwachst, was wird anders sein, das Dir sagt, dass das Wunder geschehen ist?“
Mit der Wunderfrage im Autogenen Training soll ein individuell geschaffener Ort mit einem positiven Gefühl der Sicherheit (oder auch Zufriedenheit, Glückseligkeit, Ruheort) in der Phantasie geschaffen werden. Dieses Gefühl soll auch auf körperlicher Ebene manifestiert werden. Wenn zum Beispiel Prüfungsangst vorliegt kann hier versucht werden im entspannten Zustand einen alternativen Glaubenssatz zu verinnerlichen. Ich gehe zur Prüfung und Schritt für Schritt komme ich zum Ziel. So kann ich erfolgreich in und durch die Prüfung gehen. Als Glaubenssatz und Formel und Autosuggestion ergibt sich daraus z.B. "Schritt für Schritt zum Ziel". Um die Autosuggestion noch zu verstärken hilft eine bildliche Vorstellung und eine körperliche Manifestation. In dem Grundkurs erlernst Du zunächst die Grundstufe des Autogenen Trainings kennen. Bereits mit diesen Autosuggestionen kannst du punktuell eine Entspannung aus dir heraus erzeugen und hast durch die daraus entstehende Erholung mehr Kraftreserven und Energie für anstehende Herausforderungen.
*Auszug aus Masterabschlussarbeit
Das Autogene Training (AT), oder das „Yoga des Westens“, wie es der Berliner Psychiater und Begründer Johannes Heinrich Schultz nannte, ist ein auf Autosuggestion basierendes Entspannungsverfahren. Schultz beobachtete bereits in den 1920er Jahren, als Folge der Industrialisierung, dass „die zunehmende Technisierung und die Methoden der Arbeitsteilung zu einer ‚Entpersonalisierung‘ der Großstadtmenschen und zu einem Phänomen führten, das man in Fachkreisen mit dem Anglizismus ‚Stress‘ benannte“ (s. Hoffmann 2015, S. 27). Einen möglichen Lösungsvorschlag für dieses Phänomen publizierte er 1932 in seinem Buch „Das Autogene Training“. Heute können gesetzlich Versicherte zur Prävention an Kursen für Autogenes Training teilnehmen und werden dabei finanziell durch die Krankenkassen unterstützt. Die Methode des Autogenes Training ist komplex und vielfältig. So findet sie für gesunde Menschen Anwendung u.a. im (Profi-)Sport, in der Managerschulung, in der Vorbeugung gegen das Burnout-Syndrom und im Bereich des Lernens.
Das Wort „autogen“ ist zusammengesetzt aus dem griechischen „αὐτό“ bzw. „auto“, was so viel wie „ursprünglich“ oder „selbst/-tätig“ bedeutet, und dem lateinischen „genero“, also erzeugen bzw. hervorbringen, oder entstehen. Auch wenn der Name Autogenes Training (AT) vermuten lässt, dass das Training autogen sei, ist es die im Selbst der eigenen Person entstehende Entspannung, die durch Übung erreicht werden kann. Beim AT handelt es sich also um eine von innen heraus erzeugte Entspannung, die durch eigenes Tun bzw. Lassen hervorgerufen werden kann. Allerdings erfolgt die selbstgesteuerte Entspannung anhand von Erklärungen und Anleitungen (vgl. Brenner 2004, S. 11).
Die Form der konzentrativen Selbstentspannung wurde von dem Berliner Psychiater Prof. Dr. Johannes Heinrich Schultz (1884-1970) entwickelt und mit seiner Publikation „Das Autogene Training – Konzentrative Selbstentspannung – Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung“ im Jahre 1932 bekannt (vgl. Müller 2001, S. 21). Allerdings waren schon den Priesterärzten der alten asiatischen Hochkulturen Methoden zur Entspannung und Selbstbeeinflussung bekannt, wie z.B. die Yogalehre der Inder oder die ZEN-Meditation aus Japan. Europäern sind diese Techniken oftmals nicht zugänglich, da sie meist untrennbar mit Religion und Philosophie des asiatischen Kulturkreises verbunden sind und fremdartig wirken können. Ohne diese Weltanschauung geht jedoch meist auch die Wirkung verloren. Und trotzdem finden im Grunde alle modernen westlichen Entspannungstechniken ihre Wurzeln in diesen uralten Lehren. Schultz entschied für ein vom Kulturkreis unabhängiges, wissenschaftlich exakt aufgebautes Verfahren zur Selbsthilfe zu entwickeln (vgl. Faller 1995, S. 7).
Bevor Schultz das AT entwickelte, war er mehrere Jahre in einem Berliner Hypnoseambulatorium tätig (vgl. ebd.). Die Hypnose kann auch als Vorläufer des AT gesehen werden, denn Schultz gewann für das AT wichtige Erkenntnisse aus seinen Hypnoseforschungen. So beschrieben Probanden der Hypnose intensive Entspannungsempfindungen zu denen Ruhe, Wärme und Schwere zählten. Es kam die Überlegung, dass, wenn diese Empfindungen während und mit Entspannungszuständen einsetzen, die Entspannung erreicht werden könne, wenn man Empfindungen von genannter Ruhe, Wärme und Schwere herstellen könnte. Schultz glaubte, dass man mit einem entsprechenden Training selbstgesteuerte Entspannung hervorrufen könne. Diese Vermutung war der Grundstein für das AT (vgl. Brenner 2004, S. 19).
Zu den Zielen des AT gehört eine Selbstruhigstellung, die durch eine innere Lösung erzielt werden soll. Der Arzt Heyer sagte „Wer es gelernt hat, im Autogenen Training ‚sich-zu-lassen‘, wird durch regelmäßiges Trainieren ‚gelassen‘“ (s. Schultz 2016, S. 18). Außerdem soll eine Selbstregulierung sonst „unwillkürlicher“ Körperfunktionen erreicht werden, Angstabbau ermöglicht werden, Selbstbestimmung herbeigeführt werden und auch eine Leistungssteigerung möglich sein (vgl. ebd., S. 18 f.).
Das Ziel des Autogenen Trainings ist Entspannung und davon ausgehend Erholung, Leistungssteigerung, die Beseitigung vegetativer und psychosomatischer Störungen sowie ganz allgemein, eine Steigerung der Fähigkeit, in Harmonie und ruhiger Gelassenheit zu leben.
Literatur / Quellen: